Häuser und Villen
Auf keinem anderen Gebiet hat sich die Romanisierung so stark ausgewirkt wie im Wohnwesen und in der Wohnkultur. Die keltischen Blockbauten und selbst die großen Oppida auf Bergeshöhen nehmen sich recht bescheiden aus im Vergleich mit römischen Stadthäusern, Villen auf dem Land oder gar den großen öffentlichen Bauten, Thermen, Amphitheatern, Tempeln. Stein, Marmor, Ziegel, Mörtel sind die neuen Materialien der römischen Baumeister und Bauhandwerker. Überall in der Provinz werden nun Mauer- und Dachziegel, Bodenplatten, Fliesen und Tonwaren produziert. Die Soldaten unterhalten ihre eigenen, legionseigenen Ziegeleien und versehen die Ziegel mit ihrem Legionsstempel. Privatunternehmer folgen und errichten ihre Betriebe in der Nähe der großen Städte. Die Steinbrüche von Sankt Margarethen, Kroisbach (Fertörakos) und im Leithagebirge dienen in der Römerzeit bereits dem Abbau des begehrten Sandsteines. Aber nicht nur ein neuer Baustil, auch ein neues Wohngefühl findet Eingang. Manche Häuser sind sehr luxuriös ausgestattet, die Wände sind mit Malereien geschmückt. Beheizt wird mit offenen Feuerstellen oder Kohlebecken, in vielen Häusern finden sich aber auch "Zentralheizungen", Unterflurheizungen, die von außen befeuert werden. Revolutionär ist natürlich auch das Kanalsystem und das Wasserleitungssystem. Nach Savaria führt etwa eine Wasserleitung vom Fuße des Günser Gebirges. In zahlreichen Häusern gab es – zum Teil mehrräumige – Bäder.
Freilich dauert es einige Zeit, bis diese Neuerungen sich durchsetzen. Auch in den Städten dominieren anfangs noch Holz- und Fachwerkbauten, erst gegen Ende des 1. Jahrhunderts werden sie immer mehr durch Stein- und Ziegelbauten ersetzt. Die einheimischen Reckteckhäuser werden komfortabler. Sie werden zum typischen pannonischen Mittelganghaus weiterentwickelt: Von einer Vorhalle aus führte ein Längsgang in das Haus. Links und rechts davon lagen die Wohnräume. Diesen Typus findet man auch auf dem Land, etwa in den Gutshöfen von Winden und Rohrbach.
Auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes sind neben zwei Kastellen (burgi) und einer Poststation sowie drei römerzeitlichen Dörfern etwa 200 Gutshöfe (villae rusticae) archäologisch nachgewiesen. Diese Villen oder Landhäuser konnten entweder reine Sommerwohnsitze von Stadtbewohnern sein oder, weit häufiger, Herrenhöfe inmitten dazugehörender Grundbesitzungen. Die Villa auf den Gölbesäckern bei Eisenstadt war eine große Perestylvilla, ein Gebäudekpmplex mit einem von Säulengängen umstandenen Innenhof. Einer der größten Gutshöfe nördlich der Alpen war der von Bruckneudorf. Er diente möglicherweise zeitweise auch als kaiserlicher Landsitz. Er ist wohl eher als Palast denn als Landhaus zu bezeichnen, mit großen und repräsentativen Räumen mit herrlichen Fußbodenmosaiken, mit einer Säulenhalle (Portikus) an der Vorderfront, an den Ecken mit turmartigen Aufsätzen. Weitere Villen (Gutshöfe) gab es in Winden, Donnerskirchen, St. Georgen, Rohrbach.
Diese Gutshöfe, die man in regelmäßigen Abständen im Umkreis der Städte und entlang der Römerstraßen findet, entstanden auf vermutlich eingezogenem keltischem Land. Sie waren im Eigentum römischer Grundbesitzer, vereinzelt wohl auch in dem von Angehörigen der einheimischen keltischen Oberschicht, die mit den Römern zusammenarbeitete und den Römern nacheiferte. Die Gutshöfe produzierten weit über den Eigenbedarf hinaus für den Markt, also für die Versorgung der Städte und der Truppen an der Limesgrenze. Die Arbeitskräfte kamen wohl überwiegend aus der einheimischen Bevölkerung, der Einsatz von Sklaven scheint nicht sehr umfangreich gewesen zu sein. Natürlich waren die Gutshöfe Innovationszentren einer modernen Landwirtschaft. Sie scheinen erheblich zur Verbreitung neuer Kulturen und wohl auch Arbeitstechniken beigetragen zu haben. Vor allem ab dem 3. Jahrhundert, als das Leben in den Städten von immer größeren finanziellen Belastungen geprägt war, haben anscheinend reiche Städter ihr Kapital immer häufiger in große Gutshöfe investiert.
Weniger bekannt als die römerzeitlichen Gutshöfe sind die dörflichen Siedlungen, die es ebenfalls in größerer Zahl gegeben hat. Größere Siedlungen, in denen neben Einheimischen aus die vielen Zugezogenen lebten, entstanden an verkehrsgünstig gelegenen Orten wie an Straßenkreuzungen oder Flussübergängen. In ihnen lebten auch Handwerker und Händler. Eine ausgedehnte Siedlung lag zum Beispiel auf der Flur Heidwiesen in der Nähe der Palastvilla von Bruckneudorf. Im Zuge des Ausbaues der Ostautobahn wurden vier mehrräumige Gebäude aus dem 3. bis 5. Jahrhundert gefunden. Später wurden am Autobahnknoten A4/A6 etwa 250 weitere Siedlungsobjekte entdeckt. Sowohl die eingetieften Pfostenhäuser (Grubenhäuser) wie auch die Keramik lassen dort schon im 1. und 2. Jahrhundert n.Chr. auf die Anwesenheit von Germanen schließen.
Die Palastvilla von Bruckneudorf-Parndorf
Die Großvilla von Bruckneudorf-Parndorf, bekannt unter den Bezeichnungen „Palastvilla“ oder „Kaiservilla“, gehört zu den bedeutendsten Bodendenkmalen Österreichs. Der Vorgängerbau aus Holz stammt schon aus der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts. Er war vielleicht der Sitz des Boierfürsten Marcus Cocceius Campianus, der schon das römische Bürgerrecht hatte. Sein Grabstein wurde als Abdeckung eines Heizkanals aus späterer Zeit gefunden.
Nach den Wirren der Markomannenkriege (166 – 180 n. Chr.) entstand Ende des 2. Jahrhunderts eine größere Streuhofanlage. Sie bestand aus einem Hauptgebäude, das über einen Gang mit einer Badeanlage verbunden war, sowie zahlreichen Neben- und Wirtschaftsgebäuden. Als Reaktion auf die weitreichenden Veränderungen und Reformen des 4. Jahrhunderts n. Chr. im Römischen Reich vollzog sich der Umbau der Villa rustica von Bruckneudorf zur Großvilla. Zu maßgeblichen Änderungen in der Landwirtschaft kam es als die Bauern das von ihnen gepachtete Land nicht mehr verlassen durften. Es entstand ein Feudalsystem mit Großgrundbesitz, wie wir es mittelalterlichen und neuzeitlichen Geschichte kennen. Der damalige Besitzer baute die Anlage von Bruckneudorf erheblich aus. Mauern trennten die pars urbana mit Wohnhaus, Therme und Speisesälen von den Speicherbauten, Lagerhallen, Werkstätten und Kasernen der pars fructuaria sowie vom Torwächterhaus, den Stallungen und Gärten der pars rustica. Im Südwesten wurde die Axialanlage um einen befestigten Bereich für einen mächtigen Speicherbau erweitert. Hier lagerte man vermutlich die Steuerabgaben und die annona militaris (Steuerabgaben an das Militär), die in Naturalien geleistet wurden. Eine Umfassungsmauer umgab das gesamte bebaute Areal. Zwei monumentale Toranlagen führten vom Norden und vom Südwesten in die Anlage. An der Ost- und Südseite befanden sich zwei weitere Toranlagen und im Inneren noch sechs einfache Tore – allein die Anzahl der Torwächter kann auf 30 Personen geschätzt werden. Es ist jedoch mit weiterem Wachpersonal zu rechnen, dessen Unterkünfte sich in den Kasernen im Nordteil der Anlage befanden.
Das Hauptgebäude wurde im 4. Jahrhundert um die Aula mit apsidialem Abschluss erweitert, mehrere Räume wurden mit Fußbodenheizungen ausgestattet. Dabei kamen anstatt Hypokaustanlagen ressourcenschonendere Kanalheizungen zum Einsatz. Das Badegebäude erhielt eine Latrine, zusätzliche Wasserbecken und größere Umkleideräume.
Im Jahr 350 n. Chr. oder kurz danach wurde in zehn Räumen des Wohnhauses der Mosaikschmuck der Fußböden verlegt. Lediglich das Einschaltbild „Bellerophon mit Chimära“ wurde nachträglich angebracht, vermutlich zum Anlass des Aufenthaltes der kaiserlichen Familie im Jahr 375 n. Chr. Es zeigt den antiken Helden Bellerophon mit purpurnem Umhang und Stiefel, wodurch die Allegorie auf die römischen Herrscher deutlich wird. Die Farbe Purpur war in der Spätantike ausschließlich den Kleidern des Kaisers vorbehalten.
Heute befinden sich die Mosaiken nicht mehr am originalen Fundplatz. Die mit einer Ausdehnung von 320 m² als größter zusammenhängender Mosaikenkomplex Österreichs geltenden Kunstwerke sind in der Archäologischen Sammlung des Burgenländischen Landesmuseums zu sehen.
Als Kaiser Valentinianus I. im Jahr 375 nach Pannonien reiste, um gegen die Quaden und Sarmaten zu kämpfen, folgte ihm seine Frau Justina mit den Kindern. Laut Ammianus Marcellinus bewohnte die kaiserliche Familie die „Villa Murocincta“, deren Entfernung von Brigetio (Komárom) er mit 100 Meilen angibt. Die Entfernung, die man auf römischen Straßen von Brigetio bis zur Villa von Bruckneudorf zurücklegt, entspricht tatsächlich dieser Angabe und Ammianus verfügt über Kenntnisse der regionalen Gegebenheiten, daher wurde die Villa Murocincta als jene von Bruckneudorf identifiziert.
Valentinian I. stirbt am 17. November 375 an einem Schlaganfall. Sechs Tage nach dem Tod des Herrschers rufen die Heerführer dessen Sohn Valentinianus II. zum Kaiser aus. Er wurde aus der Villa Murocincta nach Brigetio geholt und in Aquincum (Budapest) zum Kaiser gekrönt. Damit endet der Aufenthalt der kaiserlichen Familie in Bruckneudorf.
Die Villa von Königshof-Kaisersteinbruch
Eine weitere römische Villa befand sich beim "öden Kloster" in Königshof bei Kaisersteinbruch. Die Anlage erstreckt sich über eine Fläche von 2,25 ha. In der ersten Bauphase vom 1. bis zum Ende des 2. Jahrhunderts war es ein römischer Gutshof, im 3. Jahrhundert wurde die Anlage durch Wall und Graben befestigt. Zu Beginn des 4. Jahrhunderts wurden mehrere Gebäude neu gebaut und mit einer Steinmauer umgeben. Die Anlage dürfte noch längere Zeit von mehreren Familien bewohnt worden sein.
Der Gutshof von Winden
Der Hof wurde wahrscheinlich 130/140 n. Chr. durch ein Feuer zerstört und dann wieder aufgebaut. Eine neuerliche Zerstörung erfolgte 160 - 180, also zur Zeit der Markomannenkriege. Das weitere Schicksal ist ungewiss. Der archäologische Befund wird unterschiedlich interpretiert. Es könnte sein, dass der Hof Ende des 2. und Anfang des 3. Jahrhunderts neu errichtet und vielleicht bis in das 4. Jahrhundert in Verwendung stand. In der Spätantike bestanden auf dem Gelände einfache Holz-Lehmhütten. Bemerkenswert ist der Fund der ältesten Weinpresse auf österreichischem Gebiet.
Die Villa von Halbturn (Wittmannshof)
Eine bedeutende villa rustica gab es von der Mitte des 2. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts in Halbturn. Sie wurde mit Hilfe der Luftbildarchäologie und der Geoprospektion untersucht.


